Samstag, 23. Februar 2013
eine kleine geschichte: 1,49
sevibal, 15:52h
Meine erste Begegnung mit dir habe ich nicht bewusst wahrgenommen. Genau genommen, ich kann mich nicht daran erinnern. Ich war wahrscheinlich gerade ein paar Monate alt, als ich dich zum ersten mal sah. Berührt, in die Hand genommen und benutzt habe ich dich nicht viele Monate danach. Und, um ganz ehrlich zu sein, bewusst wahrgenommen habe ich dich seit dem nie wirklich. Natürlich, irgendwann kam der Punkt an dem es in mein Bewusst sein drang, dass du du bist, was du warst und dass du immer das sein wirst, was du jetzt bist, so der Zufall es will. Auch wenn du davor zu einem anderen Gebrauchszweck degradiert wurdest.
Aber du warst ständig in meinem Leben präsent und trotzdem ich dich ein Leben lang benutzt habe, habe ich dich und vorallem deine Genialität nie wirklich wahrgenommen.
Wirklich perfekt wurdest du in deinem Sein, deiner Funktion und deinem Aussehen erst nach deiner vermeintlichen Unnützlichkeit.
Angefangen hat alles im Supermarkt. Der erste Kontakt zur Menschheit, die mit Stolz behauptet ihre Mahlzeiten auf traditionelle Weise zu essen, mit entsprechenden Zutaten und den richtigen Nahrungsergänzungsmitteln, war mit der Hand meiner Mutter. Sie griff nach dir, schmiss dich in der Einkaufswagen und klapperte weiter zum Kühlregal. Neben dich viel noch eine Packung mit in Vakuum eingeschweisten Weißwürsten, 750 Gramm. Dann noch ein Paar Wiener, ca 500 Gramm. Eine Masse, die du mit deinem eigenen Inhalt locker bewältigen könntest. Dazu gesellten sich in den Wagen geworfene Brezen und ein paar klimpernde Weißbierflaschen.
Zuhause riss man dir achtlos deinen roten Kunststoffdeckel vom Haupt und ehe du dich versahst, fuhr ein Stück erwärmte Wienerwurst in und durch deine Füllung. Das passierte ein Paar mal und mit jedem mal wurde deine Füllung weniger. Du wurdest in den Kühlschrank gestellt und die Prozedur begann fast jeden Mittag und Abend der darauf folgenden Tage aufs neue.
Irgendwann warst du leer. Ein paar restliche Streifen hingen an deiner harten Haut. Sie sahen aus wir Kratzer. Kratzer, aus denen gelbes Blut suppte und geronn. Du hattest viel von diesem gelben Blut, deshalb hast du lange durchgehalten... Kaum zu glauben wenn man deinen jetzigen bemitleidenswerten Zustand betrauert.
Zu diesem Zeitpunkt deines inneren Bankrotts kam ich zum ersten mal ins Spiel. Es muss in fortgeschrittenem Kindheitsalter gewesen sein- ich musste jedenfalls alt genug gewesen sein, als dass meine Mutter die Frechheit besaß, mir den Abwasch des dreckigen Geschirrs auf's Auge zu drücken. Ich arbeitete mich langsam durch den immer größer werdenden Berg (zumindest schien es mir so) von versifftem Geschirr bis ich irgendwann zu dir kam. Mit deinem erbärmlichen Aussehen dachte ich du seist Müll, bereit dem unvermeidlichen Wegwerfen ins Auge zu sehen.
Glücklicherweise kam zur rechten Zeit das Mütterlein daher und schimpfte mich kräftig wegen meiner Absicht dich zu entsorgen. Sie zwang mich dich zu spülen, zu trocknen und stellte dich dann behutsam in den Schrank. „Das eignet sich gut zum Trinken“.
Deine Genialität offenbarte sich mir erst im Laufe meines Lebens, besonders im Vergleich zu anderen deiner Sippe, die aussschließlich zum Trinken gemacht wurden und sich gleichzeitig weniger gut eignen. Du hast eine gute Standfestigkeit, begründet auf einem dicken Boden und dünnen Wänden, dein Rand ist angenehm abgerundet für meine Lippen, dein Fassungsvermögen erlaubt es deinen Inhalt im Anflug brennenden Durstes in einem Zug zu stürzen, oder nach einem Durchschnittsschluck noch ausreichend weitere Durchschnittsschlucke in Reserve zu bunkern. Du hast eine elegante, leicht runde, bauchige und zeitlose Form, in der sogar neben dem Mund auch noch die Nase hinein passt. Selbst das Spülen ist angenehm, kommt man doch tatsächlich mit der ganzen Hand in dich hinein. Du bist durch dein Nutzrecycling unsterblich geworden (so lange dich niemand mit einer unachtsamen Handbewegung vom Tisch fegt).
Du warst ein Glas mit Senf gefüllt und bist jetzt das beste Trinkglas, dass man für 1,49 im Supermarkt kaufen kann.
Aber du warst ständig in meinem Leben präsent und trotzdem ich dich ein Leben lang benutzt habe, habe ich dich und vorallem deine Genialität nie wirklich wahrgenommen.
Wirklich perfekt wurdest du in deinem Sein, deiner Funktion und deinem Aussehen erst nach deiner vermeintlichen Unnützlichkeit.
Angefangen hat alles im Supermarkt. Der erste Kontakt zur Menschheit, die mit Stolz behauptet ihre Mahlzeiten auf traditionelle Weise zu essen, mit entsprechenden Zutaten und den richtigen Nahrungsergänzungsmitteln, war mit der Hand meiner Mutter. Sie griff nach dir, schmiss dich in der Einkaufswagen und klapperte weiter zum Kühlregal. Neben dich viel noch eine Packung mit in Vakuum eingeschweisten Weißwürsten, 750 Gramm. Dann noch ein Paar Wiener, ca 500 Gramm. Eine Masse, die du mit deinem eigenen Inhalt locker bewältigen könntest. Dazu gesellten sich in den Wagen geworfene Brezen und ein paar klimpernde Weißbierflaschen.
Zuhause riss man dir achtlos deinen roten Kunststoffdeckel vom Haupt und ehe du dich versahst, fuhr ein Stück erwärmte Wienerwurst in und durch deine Füllung. Das passierte ein Paar mal und mit jedem mal wurde deine Füllung weniger. Du wurdest in den Kühlschrank gestellt und die Prozedur begann fast jeden Mittag und Abend der darauf folgenden Tage aufs neue.
Irgendwann warst du leer. Ein paar restliche Streifen hingen an deiner harten Haut. Sie sahen aus wir Kratzer. Kratzer, aus denen gelbes Blut suppte und geronn. Du hattest viel von diesem gelben Blut, deshalb hast du lange durchgehalten... Kaum zu glauben wenn man deinen jetzigen bemitleidenswerten Zustand betrauert.
Zu diesem Zeitpunkt deines inneren Bankrotts kam ich zum ersten mal ins Spiel. Es muss in fortgeschrittenem Kindheitsalter gewesen sein- ich musste jedenfalls alt genug gewesen sein, als dass meine Mutter die Frechheit besaß, mir den Abwasch des dreckigen Geschirrs auf's Auge zu drücken. Ich arbeitete mich langsam durch den immer größer werdenden Berg (zumindest schien es mir so) von versifftem Geschirr bis ich irgendwann zu dir kam. Mit deinem erbärmlichen Aussehen dachte ich du seist Müll, bereit dem unvermeidlichen Wegwerfen ins Auge zu sehen.
Glücklicherweise kam zur rechten Zeit das Mütterlein daher und schimpfte mich kräftig wegen meiner Absicht dich zu entsorgen. Sie zwang mich dich zu spülen, zu trocknen und stellte dich dann behutsam in den Schrank. „Das eignet sich gut zum Trinken“.
Deine Genialität offenbarte sich mir erst im Laufe meines Lebens, besonders im Vergleich zu anderen deiner Sippe, die aussschließlich zum Trinken gemacht wurden und sich gleichzeitig weniger gut eignen. Du hast eine gute Standfestigkeit, begründet auf einem dicken Boden und dünnen Wänden, dein Rand ist angenehm abgerundet für meine Lippen, dein Fassungsvermögen erlaubt es deinen Inhalt im Anflug brennenden Durstes in einem Zug zu stürzen, oder nach einem Durchschnittsschluck noch ausreichend weitere Durchschnittsschlucke in Reserve zu bunkern. Du hast eine elegante, leicht runde, bauchige und zeitlose Form, in der sogar neben dem Mund auch noch die Nase hinein passt. Selbst das Spülen ist angenehm, kommt man doch tatsächlich mit der ganzen Hand in dich hinein. Du bist durch dein Nutzrecycling unsterblich geworden (so lange dich niemand mit einer unachtsamen Handbewegung vom Tisch fegt).
Du warst ein Glas mit Senf gefüllt und bist jetzt das beste Trinkglas, dass man für 1,49 im Supermarkt kaufen kann.
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